"DIE SPIELGESELLSCHAFT"

„…der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch wo er spielt.“

Friedrich Schiller: Über die ästhetische Erziehung des Menschen (1795)

Objektiv betrachtet ist das Werk des Ende der 70er Jahre in Leipzig geborenen Künstlers kaySchwarz greifbares Abbild seiner Realität. Hier manifestiert sich sinnlich erfahrbar was er ist, es verweist auf seine Identität und zeigt was er kann. Das Selbst-Verständnis als Künstler weist ihm eine Rolle in der Gesellschaft zu. 
Zwischen Wendezeit und Abschluss des Design-Studiums 2009 wird sein Schaffen durch die intensive Auseinandersetzung mit dem urbanen Raum sowie auch dessen aktive Gestaltung bestimmt. Das Studium erweist sich als nützlich, stärkt das Selbstbewusstsein. Es beginnt ein langwieriger Prozess der Adaption und Identitätsfindung, getragen von der Intention das künstlerische Schaffen aus dem Kontext des städtischen Raumes auch in das Atelier zu projizieren. 
kaySchwarz definiert so seinen Platz in der Leipziger Kunstszene.

Kopfstudien

Haupt-Gegenstand im Werk von kaySchwarz bilden ausdrucksstarke figürliche Darstellungen die in Form stilisierter Köpfe inszeniert werden. Als Kontext dieser Kopfstudien dient anfänglich der urbane Raum. Durch das Medium Leinwand erweitert sich auch der Fundus an Werkzeugen. Dieser umfasst so neben einem breiten Spektrum an Permanent-Markern und Sprühlacken auch herkömmliche Acrylfarben, Tinten und Graphit, ergänzt durch die Applikation diverser Alltagsmaterialien. Der Duktus ist leicht und spontan. Die Präsenz der Linie und der flächig unterteilte Farbauftrag verweisen auf die künstlerischen Wurzeln von kaySchwarz.

Background

Die Übertragung des Bildgegenstandes in das Atelier verlangt nach einem adäquaten Ersatz für das urbane Setting. Leipzig als Heimatstadt und Stätte des Schaffens bereitet, nun auf Leinwand gebannt, den Background für die Inszenierung. Getreu seinem Vorbild unterliegt dieses imitierte Urbane dem ständigem Wandel einer relativen Wirklichkeit. Perspektiven verändern sich, Formen lösen sich in kubistischer Manier und logische Gesetzmäßigkeiten geraten durcheinander.

Spielgesellschaft

Sein heutiges künstlerisches Schaffen bietet kaySchwarz die Chance, der Freiheit nachzuspüren, die er in seiner Vergangenheit als Teil einer realen Subkultur erleben durfte. Das Schaffen im legalen Raum, die Arbeit im Atelier, das Medium Leinwand, die Rolle als Künstler erweitern für ihn das Spektrum an Möglichkeiten sich mitzuteilen. 
Dies geschieht auf subtilem Wege, ohne dogmatisch erhobenen Zeigefinger. Der freie Umgang mit Perspektiven, Farben und Formen spiegelt in Anlehnung an Schillers Rückbesinnung auf das Ästhetische und Spielerische seine Sicht auf Alltägliches im Kontext unserer westlichen Gesellschaft. Danach weist das Spielen als spezifisch menschliche Fähigkeit tendenziell Möglichkeiten auf, Probleme und Konflikte auf kreative Art und Weise beizulegen. Der Künstler Kay Schwarz bietet mit dieser Ausstellung die Möglichkeit, Teil (s)eines Gesellschaftsspieles zu sein.
Heute feiert der wohl berüchtigste Kopf der Stadt sein Solodebüt.

Peter Niemann
M.Sc. History, Theory and Display

"DIE SPIELGESELLSCHAFT" (eng)

„…man only plays where he is human in the full meaning of the word, and he is only fully human where he plays.“

Friedrich Schiller: Über die ästhetische Erziehung des Menschen (1795)

Viewed objectively, the work of the artist Kay Schwarz, who was born in the late 70s in Leipzig, is a tangible portrayal of his reality. What he is, manifests in a way that can be experienced with all senses, indicating his identity and demonstrating his ability. His self-conception as an artist is what assigns him his role in society.

In the time from the fall of the Berlin Wall to completion of his university studies in Design in 2009, his work is dominated by an intensive exploration of urban space as well as its active shaping. His studies proved useful, strengthening his confidence. What followed was a prolonged process of adaptation and search for identity, borne by the intention of projecting his artistic work from within the context of urban space into the studio.
Kay Schwarz thus defines his position in the Leipzig art scene.

HEAD STUDIES
The main subject of Kay Schwarz’s work is formed by expressive figurative depictions that are staged as stylised heads. Initially, urban space served as the context of these head studies. Through the medium of the canvas, the range of tools also expanded. In addition to a broad spectrum of permanent markers and spray paints, it now included conventional acrylic paints, inks and graphite, enhanced through the application of various everyday materials. The cadences are light and spontaneous. The presence of the line and the colour applied in sections allude to the artistic roots of Kay Schwarz.

BACKGROUND
The transferring of the pictorial object into the studio calls for an adequate substitute for the urban setting. Leipzig, as his hometown and the site of his work, now captured on canvas, provides the background for the mise-en-scène. True to its role model, this imitated urban space is subject to constant change in a relative reality. Perspectives change, forms dissolve in a cubistic manner and the laws of logic are turned upside down.

SOCIETY AS A GAME
His current artistic work offers Kay Schwarz the opportunity to seek out the freedom that he was able to experience as part of a real sub-culture in his past. His work in the legal sphere, pieces in the studio, the medium of the canvas, and the role of the artist enhance his spectrum of possibilities for communication.
The paths he chooses are subtle, without a dogmatic wagging finger. His free approach to perspectives, colour and form, referencing Schiller’s return to the aesthetic and the playful, mirrors his view of the everyday in the context of our western society. Subsequently, the game as a specifically human ability tends to present possibilities of resolving problems and conflicts creatively. With this exhibition, the artist Kay Schwarz offers viewers the chance to be part of (t)his social parlour game.

Peter Niemann
M.Sc. History, Theory and Display

At the moment

Aus der Serie "based on a true story"

Das neue Werk von KaySchwarz157 strahlt in einem dominierenden Gelb, das als zentraler Träger seiner künstlerischen Botschaft fungiert. Dieses Gelb ist mehr als nur eine Hintergrundfarbe; es repräsentiert das „Jetzt,“ die Gegenwart in ihrer unverfälschten Intensität. Es verkörpert das Leben und die Emotionen, die unmittelbare Erfahrung des Augenblicks. In diesem Kontext wird die Farbe zum visuellen Anker, der die Betrachter ins Hier und Jetzt zieht, sie in das emotionale Spannungsfeld der Leinwand hineinversetzt.

Die intensive, fast monochrome Farbfläche wird durch subtil aufgetragene Schichten und Überlagerungen durchbrochen, die eine visuelle Tiefe erzeugen und zugleich den emotionalen Zustand des Moments reflektieren. Dabei scheint es, als wolle KaySchwarz157 die Flüchtigkeit des Jetzt festhalten, die sich in den fragmentarisch durchscheinenden Schriftzügen und Symbolen manifestiert. Die Zeichen sind teils verdeckt, teils explizit – es scheint der Name „Icarus“ durchzuschimmern, was eine mythologische Dimension einbringt. Die Anspielung auf Ikarus, den gefallenen Helden der griechischen Mythologie, könnte eine Reflexion über die Grenzen des menschlichen Strebens nach Freiheit und den damit verbundenen Risiken darstellen. Dies verleiht dem Werk eine weitere Ebene, in der die Bedeutung von „Jetzt“ als flüchtiger und riskanter Moment der Existenz aufgefasst werden kann.

Das fragmentierte Wort „GOOD“ wurde nachträglich mit Ölkreide aufgetragen, was auf eine bewusste Auseinandersetzung mit Sprache als formgebendes Element hinweist. Die Anwendung von Ölkreide bringt eine physische Präsenz und Materialität ins Bild, die die inhaltliche Botschaft verstärkt. Es könnte als ironische Bemerkung über die flüchtige Natur des Glücks oder die Unzulänglichkeit von Sprache betrachtet werden, um komplexe emotionale Zustände vollständig zu erfassen. Diese semiotischen Ankerpunkte verweisen auf die Wechselbeziehung zwischen Sprache und Realität, in der Worte sowohl Bedeutung schaffen als auch in ihrer Fragilität bloßgestellt werden.

Im Zentrum des Werks ragen in klarer, fast naiver Linienführung angedeutete Köpfe empor, ein wiederkehrendes Motiv in KaySchwarz157s Oeuvre. Sie spiegeln die Komplexität und Mehrdimensionalität der individuellen Perspektiven wider, die in dieser gelben Farbwelt zu verankern scheinen. Die Köpfe und Symbole interagieren mit dem Bildraum und tauchen aus den Tiefen der Schichten auf. Dabei treten immer wieder Buchstaben in Erscheinung, zum Teil plastisch in 3D dargestellt, was eine zusätzliche Dimension in die Komposition einbringt und den Eindruck eines mehrschichtigen Universums vermittelt. Nur das Portrait ist ein Oneliner, der mit kubistischer Reduktion spielt und die Vielschichtigkeit der Darstellung in eine minimalistische Formsprache übersetzt.

Die Detailaufnahmen des Werks enthüllen eine Materialität und Texturarbeit, die an die urbanen Oberflächen erinnert, welche KaySchwarz157 in seiner fotografischen Arbeit festhält und ins Atelier transportiert. Die Einflüsse aus dem urbanen Raum werden durch die Einschreibung von Graffiti-Elementen deutlich, etwa in Form von sogenannten „Tags“, die als Referenz an die Ursprünge des Künstlers dienen. Ein rotes „E“, das als Teil des Hintergrunds in den Vordergrund durchscheint oder bricht, setzt einen bewussten Akzent. Dieses „E“ ist als Fragment des Alphabets sowohl eine semiotische Spur als auch eine visuelle Unterbrechung. Es bringt eine zusätzliche Dynamik in die Komposition und erinnert an die Spontaneität und den Ausdruckswillen des Graffiti. Die bewusste Platzierung des „E“ fügt sich in das komplexe Spiel der Bedeutungen ein, indem es das dominante Gelb in einen Kontext der ständigen Bewegung und Veränderung einbettet.

Dieses rote „E“ ist mehr als nur ein Farbklecks; es wirkt wie ein Fenster, durch das eine andere Realität in das Bild eindringt. Es lässt an den Prozess des Übermalens und Überarbeitens denken, der in der Straßenkunst allgegenwärtig ist, und suggeriert eine Art palimpsestartiges Arbeiten, bei dem frühere Schichten nie ganz verschwinden, sondern immer wieder durchscheinen. Das „E“ könnte als Symbol für den Prozess des Durchdrückens einer Botschaft verstanden werden, die sich durch die Schichten der Zeit an die Oberfläche kämpft.

Das Werk als Ganzes vermittelt eine spontane Energie, eine Unmittelbarkeit, die aus den Ursprüngen des Künstlers im Graffiti erwächst. Zugleich offenbart es eine tiefe Reflektion, die über den schnellen Ausdruck des Straßenkunstwerks hinausgeht. Es ist ein Spannungsfeld zwischen freiem, emotionalem Ausdruck und kontrollierter Gestaltung – ein ständiges Pendeln zwischen der Rohheit des Draußenseins und der durchdachten Ruhe des Studios. In dieser Gelb-Dimension kulminieren alle diese Elemente zu einer Hommage an das Leben, das Jetzt, und die unbändige Kraft der Emotion.