KaySchwarz157

Maler | Designer | Urban-Art Künstler

Draußen hat man nur einen Versuch

Der in der Street Art erwachsen gewordene Künstler Kay Schwarz legt einen Werkbericht über seine Entwicklung vor

Von Jens Kassner

Viele Leipziger und Gäste haben sicherlich in den letzten Jahren mal einen Sticker an Laternenmasten und anderswo gesehen. „Wantet“ steht in Versalien drauf. Darunter ein auf die Kontur reduzierter Kopf und der Schriftzug „einen Menschen“. Diogenes, der Ur-Kyniker, soll auf dem Marktplatz des antiken Athen am hellen Tag mit einer Laterne rumgelaufen sein, um einen Menschen zu finden. Während bei diesen Aufklebern nicht so viele Betrachter den Urheber kennen, steht sein Name bei der Fassadenbemalung der sogenannten Grünen Villa am Westwerk dabei: Kay Schwarz. Von ihm stammt erneut der charakteristische Kopf, die detailreicheren und bunten Inhalte des Schädels wurden von seinen Freunden der Ritzsch Croo gemalt. Das Bild heißt „Der Illusionist – Die Welt als Wille und Vorstellung“.

Street Art hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten einen Boom der Aufmerksamkeit erfahren, keinesfalls aber flächendeckende Akzeptanz. Das hat natürlich auch mit den allzu drastischen Unterschieden in der Qualität zu tun. Andererseits werden Street-Art-Künstler, die von der Straße in Galerien wechseln und ihren wahren Namen nicht mehr verbergen, von ihren nach wie vor im Untergrund tätigen Kollegen beargwöhnt.

Der 1979 in Leipzig geborene Kay Schwarz tut es trotzdem, hat nun außerdem im neu gegründeten Verlag Montbertus von Peter Niemann ein Buch herausgegeben, das man ruhig als so etwas wie einen Werkkatalog zumindest für den Zeitabschnitt 2013-2020 nennen kann. „K157″ nennt es sich. Die Zahl bezieht sich auf den Bestandteil einer Gohliser Postleitzahl, da wo seine erste Crew ansässig war.

Tatsächlich hat Schwarz so angefangen, wie man sich einen richtigen Helden des Untergrundes vorstellen muss. Wie viele Jugendliche hat er in der DDR den Film „Beat Street“ von Belafonte gesehen, fing an zu skribbeln. Als man dann ab Ende 1989 zunächst an richtige Marker rankam, wenig später auch an Spraydosen, ging es richtig los bis hin zum „Whole Train“, einem komplett besprühten Zug. Die Beherrschung der entsprechenden szeneinternen Fachbegriffe für die diversen Arten des Ausdrucks ist Ehrensache, so wie das fotografische Dokumentieren noch vor der Polizei.

Nach mehreren gescheiterten beziehungsweise abgebrochenen Ansätzen einer Ausbildung hat Schwarz 2009 ein Designstudium an der Hochschule Anhalt und dem Bauhaus abgeschlossen. Ein Sprayer mit Diplom ist sicherlich eine Seltenheit, die Entscheidung gegen ein Studium der „freien“ Kunst zugunsten angewandter Bereiche war aber auch eine bewusste nach vorherigen Irrtümern.

Seitdem hat der Künstler seinen Stil gefunden, man erkennt seine Werke, auch wenn sie nur aus wenigen Strichen bestehen. Er hat die Ausdrucksweise drastisch reduziert. Nicht selten sind die Bilder in Schwarz-Weiß, doch auf kräftige Farben verzichtet er bis heute nicht ganz. Nicht nur Diogenes, auch Nietzsche ist ihm intellektuelle Inspiration, ebenso literarische Helden wie Hamlet. Er ist ein Philosoph unter den Street-Artisten. Das schlägt sich in Bildtiteln wie „Die Idee von einer kosmologischen Freiheit in Abhängigkeit ihrer Naturnotwendigkeit“ nieder, wie ein unterdessen verschwundener Bildfries am Westwerk hieß.

„Draußen hat man halt nur einen Versuch“, sagt Kay Schwarz über seine künstlerischen Anfänge auf der Straße. So ganz haben ihn dieser Kick und dieses Risiko noch immer nicht losgelassen. Er ist heute Familienvater. Ihn als bürgerlich oder gesetzt zu bezeichnen, geht aber trotzdem daneben. Er ist gereift und zu einem festen Bestandteil der Leipziger Kunst neben den Klingers, Mattheuers oder Rauchs geworden.

Presse (Auszug)