Budde-Haus-Book157-05-2020

Buchvorstellung mit passender Kunst

KaySchwarz157 im Budde-Haus

von Peter Niemann

Besonders augenscheinlich im Schaffen von KaySchwarz waren schon immer die vielfältigen Dimensionen, in denen er Ausdruck sucht und findet. So erhalten Bildgegenstände einerseits ihren Platz auf winzigen Zetteln, Papierbögen, Stofffetzen, Leinwänden, Dingen, Fassaden und Zügen. Andererseits kann gestalterisches Medium dabei Bleistift, Marker, Farbrolle, Klebeband, Sprühdose und Sonstiges heißen, in mitunter freier Kombination miteinander oder eben auch nicht. Immer jedoch erwächst der Hauptgegenstand in seinem Werk aus ausdrucksstarken figürlichen Darstellungen, inszeniert in Form stilisierter Köpfe. Primärer Kontext dieser Kopfstudien ist dabei stets der urbane Raum. Die Arbeit im Atelier bleibt zweite Wahl.

Das ab dem 5. September und erstmalig zur Nacht der Kunst im Budde-Haus erhältliche Book157 stellt dahingehend ein völliges Novum dar. Noch nie gab es Kay-Schwarz zum blättern, durchstöbern, querlesen, sorgsam ins Regal sortieren, Blätter pressen, wackeln-, des Tischbein stabilisieren, verstauben lassen und über Generationen hinweg vererben – kurzum zur Befriedigung jedweder bibliophiler oder damit mehr oder weniger im Zusammenhang stehender Neigungen.

Es ist ein wahrlich schönes Buch. Und so hat mit dem ersten Blick auf die vierfarbigen Seiten auch Augenscheinliches, Oberflächliches Vorrang. Freilich bilden diese Äußerlichkeiten aber nicht den Kern dieser Werkschau, welche es sich zur Aufgabe gemacht hat, das Schaffen des Leipziger Künstlers zwischen 2013 und 2020 gleichsam zu illustrieren und dieses für Leserin und Leser nachvollziehbar zu machen.

Mit der Buchvorstellung nebst passender Ausstellung in Leipzig-Gohlis feiert der Künstler aber auch ein Comeback, und zwar zu seinen Wurzeln. In Gohlis nämlich fand KaySchwarz als Jugendlicher Gleichgesinnte, durch diese dann Inspiration, Anerkennung und ultimativ den Drive zu Schaffen. In Gohlis befand sich auch der erste Dosenladen und lieferte über lange Zeit das Handwerkszeug für dessen Kunst. Auf diesen wichtigen Ursprung im Prozess seiner künstlerischen Entwicklung verweist heute noch, Jahrzehnte später das eine Element in seinem Künstlernamen, welches er nie änderte: 157.

KaySchwarz157 ist am 5. September natürlich mit dabei, um zu signieren, Lollis zu verteilen und keine Fragen zu beantworten.

Los geht es gegen 16.00 Uhr im Budde-Haus, Soziokulturelles Zentrum in Leipzig-Gohlis, Lützowstraße 19,

04157 Leipzig. Buchvorstellungs-und Ausstellungsraum ist das Musikzimmer im Erdgeschoss links.

Presse (Auszug)

At the moment

Aus der Serie "based on a true story"

Das neue Werk von KaySchwarz157 strahlt in einem dominierenden Gelb, das als zentraler Träger seiner künstlerischen Botschaft fungiert. Dieses Gelb ist mehr als nur eine Hintergrundfarbe; es repräsentiert das „Jetzt,“ die Gegenwart in ihrer unverfälschten Intensität. Es verkörpert das Leben und die Emotionen, die unmittelbare Erfahrung des Augenblicks. In diesem Kontext wird die Farbe zum visuellen Anker, der die Betrachter ins Hier und Jetzt zieht, sie in das emotionale Spannungsfeld der Leinwand hineinversetzt.

Die intensive, fast monochrome Farbfläche wird durch subtil aufgetragene Schichten und Überlagerungen durchbrochen, die eine visuelle Tiefe erzeugen und zugleich den emotionalen Zustand des Moments reflektieren. Dabei scheint es, als wolle KaySchwarz157 die Flüchtigkeit des Jetzt festhalten, die sich in den fragmentarisch durchscheinenden Schriftzügen und Symbolen manifestiert. Die Zeichen sind teils verdeckt, teils explizit – es scheint der Name „Icarus“ durchzuschimmern, was eine mythologische Dimension einbringt. Die Anspielung auf Ikarus, den gefallenen Helden der griechischen Mythologie, könnte eine Reflexion über die Grenzen des menschlichen Strebens nach Freiheit und den damit verbundenen Risiken darstellen. Dies verleiht dem Werk eine weitere Ebene, in der die Bedeutung von „Jetzt“ als flüchtiger und riskanter Moment der Existenz aufgefasst werden kann.

Das fragmentierte Wort „GOOD“ wurde nachträglich mit Ölkreide aufgetragen, was auf eine bewusste Auseinandersetzung mit Sprache als formgebendes Element hinweist. Die Anwendung von Ölkreide bringt eine physische Präsenz und Materialität ins Bild, die die inhaltliche Botschaft verstärkt. Es könnte als ironische Bemerkung über die flüchtige Natur des Glücks oder die Unzulänglichkeit von Sprache betrachtet werden, um komplexe emotionale Zustände vollständig zu erfassen. Diese semiotischen Ankerpunkte verweisen auf die Wechselbeziehung zwischen Sprache und Realität, in der Worte sowohl Bedeutung schaffen als auch in ihrer Fragilität bloßgestellt werden.

Im Zentrum des Werks ragen in klarer, fast naiver Linienführung angedeutete Köpfe empor, ein wiederkehrendes Motiv in KaySchwarz157s Oeuvre. Sie spiegeln die Komplexität und Mehrdimensionalität der individuellen Perspektiven wider, die in dieser gelben Farbwelt zu verankern scheinen. Die Köpfe und Symbole interagieren mit dem Bildraum und tauchen aus den Tiefen der Schichten auf. Dabei treten immer wieder Buchstaben in Erscheinung, zum Teil plastisch in 3D dargestellt, was eine zusätzliche Dimension in die Komposition einbringt und den Eindruck eines mehrschichtigen Universums vermittelt. Nur das Portrait ist ein Oneliner, der mit kubistischer Reduktion spielt und die Vielschichtigkeit der Darstellung in eine minimalistische Formsprache übersetzt.

Die Detailaufnahmen des Werks enthüllen eine Materialität und Texturarbeit, die an die urbanen Oberflächen erinnert, welche KaySchwarz157 in seiner fotografischen Arbeit festhält und ins Atelier transportiert. Die Einflüsse aus dem urbanen Raum werden durch die Einschreibung von Graffiti-Elementen deutlich, etwa in Form von sogenannten „Tags“, die als Referenz an die Ursprünge des Künstlers dienen. Ein rotes „E“, das als Teil des Hintergrunds in den Vordergrund durchscheint oder bricht, setzt einen bewussten Akzent. Dieses „E“ ist als Fragment des Alphabets sowohl eine semiotische Spur als auch eine visuelle Unterbrechung. Es bringt eine zusätzliche Dynamik in die Komposition und erinnert an die Spontaneität und den Ausdruckswillen des Graffiti. Die bewusste Platzierung des „E“ fügt sich in das komplexe Spiel der Bedeutungen ein, indem es das dominante Gelb in einen Kontext der ständigen Bewegung und Veränderung einbettet.

Dieses rote „E“ ist mehr als nur ein Farbklecks; es wirkt wie ein Fenster, durch das eine andere Realität in das Bild eindringt. Es lässt an den Prozess des Übermalens und Überarbeitens denken, der in der Straßenkunst allgegenwärtig ist, und suggeriert eine Art palimpsestartiges Arbeiten, bei dem frühere Schichten nie ganz verschwinden, sondern immer wieder durchscheinen. Das „E“ könnte als Symbol für den Prozess des Durchdrückens einer Botschaft verstanden werden, die sich durch die Schichten der Zeit an die Oberfläche kämpft.

Das Werk als Ganzes vermittelt eine spontane Energie, eine Unmittelbarkeit, die aus den Ursprüngen des Künstlers im Graffiti erwächst. Zugleich offenbart es eine tiefe Reflektion, die über den schnellen Ausdruck des Straßenkunstwerks hinausgeht. Es ist ein Spannungsfeld zwischen freiem, emotionalem Ausdruck und kontrollierter Gestaltung – ein ständiges Pendeln zwischen der Rohheit des Draußenseins und der durchdachten Ruhe des Studios. In dieser Gelb-Dimension kulminieren alle diese Elemente zu einer Hommage an das Leben, das Jetzt, und die unbändige Kraft der Emotion.